Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (2024)

Anzeige

Es bahnt sich ein politischer Streit an, der ganz nach dem Geschmack des Gerhard Schick ist. Es geht um Banken und um 2,3 Milliarden Euro, die diese einst im Nachgang der Finanzkrise vor zehn Jahren in einen nationalen Rettungsfonds einzahlten und nun zurückwollen.

Anzeige

Schick, ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und heutiger Vorkämpfer der Nichtregierungsorganisation Finanzwende, hält dies für den falschen Weg. Finanzinstitute hätten einen riesigen Schaden mit der Finanzkrise angerichtet.

„Geld vom Bund zu fordern, obwohl sogar noch Schulden aus den Bankenrettungen offen sind, ist einfach nur unverschämt“, sagte Schick. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) müsse zeigen, dass er die Interessen der Steuerzahler im Blick habe und nicht Politik nur für die Banken mache.

Lesen Sie hier mehr zum Thema Staatshaushalt

Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (1)

Deutsche Erholung auf Pump

Auf dem Weg in die Staatswirtschaft

Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (3)

Anhebung der Zinsen

Inflation senken, Euro retten? Die EZB reagiert viel zu spät und halbherzig

Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (4)

Gebäudesanierung

Habecks nächste Förderkürzung – Jetzt wird die Wärmepumpe noch unattraktiver

Anzeige

Für Schick ist es eine Frage von Gerechtigkeit, wenn die 2,3 Milliarden Euro jetzt nicht direkt an die Banken zurückfließen, sondern zur Tilgung eines zumindest kleinen Teils jener Schulden genutzt werden, die der Staat einst unter anderem zur Rettung der Commerzbank und Abwicklung der Hypo-Real-Estate aufnahm.

Lesen Sie auch

Angebote

Bis zu 4,01 Prozent Zinsen – Hier lohnen sich Fest- und Tagesgeld

Aktuell liegt das Minus, das durch die einstigen Hilfsmaßnahmen entstand, bei 23 Milliarden Euro. Der Verlust aus der Bankenrettung könnte also um zehn Prozent reduziert werden.

Noch liegen die 2,3 Milliarden Euro im nationalen Restrukturierungsfonds RSF, dort wurden sie zwischen 2011 und 2014 eingezahlt. Doch das Geld wird dort nicht mehr gebraucht, wurde der RSF in der Zwischenzeit doch durch ein europäisches Rettungsvehikel mit dem Kürzel SRF abgelöst, den Single Resolution Fund.

Anzeige

Allein für das Beitragsjahr 2022 zahlen heimische Kreditinstitute dort 3,38 Milliarden Euro ein. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich aktuell auf 66 Milliarden. Er soll bis Ende 2023 vollständig gefüllt sein.

Was soll mit den 2,3 Milliarden Euro geschehen?

Die Mittel in dem europäischen Fonds haben den gleichen Zweck, wie jene in dem nationalen Fonds hatten: Banken im Krisenfall geordnet abzuwickeln und Erschütterungen der Finanzstabilität wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu verhindern.

In Lindners Bundesfinanzministerium will man sich bislang nicht festlegen, was mit den 2,3 Milliarden Euro geschehen soll. „Aktuell gibt es hierzu noch keine Entscheidung“, teilte das Ministerium mit. Die Bundesregierung werde zu gegebener Zeit zur künftigen Verwendung der Altmittel einen Vorschlag machen.

Anzeige

Anzeige

Ein vom Ministerium selbst in Auftrag gegebenes Gutachten setzt Finanzminister Lindner dabei enge Grenzen. Die Kreditinstitute hätten keinen Anspruch darauf, dass sie die einst in den nationalen RSF eingezahlten Beiträge zurückerhalten.

„Der Gesetzgeber kann diese Restmittel auch nicht, jedenfalls nicht in voller Höhe, freiwillig an die Kreditinstitute auskehren“, schreiben Ekkehart Reimer, Professor für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg, und seine akademische Mitarbeiterin Andela Milutinovic.

Lesen Sie auch

Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (6)

Kalte Progression

Lindners Milliardenplan gegen die Inflation

Auch eine zweite Option halten sie für nicht umsetzbar: Die 2,3 Milliarden können laut Gutachten nicht einfach in den Staatshaushalt übernommen werden. Schließlich stammt das Geld, mit dem der nationale Rettungsfonds einst gefüllt wurde, von den Banken und nicht von der Allgemeinheit der Steuerzahler. Entscheidend ist in dem Zusammenhang die Formulierung eines „Gebots gruppennütziger Verwendung“.

Da die weitere Verwendung der Mittel in Zusammenhang mit der Kreditwirtschaft stehen muss, gibt es aus Sicht der Gutachter nur wenige Möglichkeiten. „Als solche kommt die Tilgung eines Teils der Altschulden des Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS, „Soffin“) in Betracht“, schreiben Reimer und Milutinovic. Im FMS sind jene Schulden enthalten, die durch die Rettung von Commerzbank & Co. enstanden.

Die Banken halten diese rechtlichen Vorbehalte für unbegründet. „Die Restmittel aus der nationalen Sonderabgabe sollten an die Beitragszahler rückerstattet oder mit der europäischen Abgabe verrechnet werden“, teilte der Spitzenverband Deutsche Kreditwirtschaft mit.

Der europäische Gesetzgeber habe diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten ausdrücklich eingeräumt. Die 2,3 Milliarden Euro könnten dafür genutzt werden, den Spielraum der Institute bei der Kreditvergabe zu erweitern.

Eine Zweckumwidmung der Altmittel zur Deckung des Verlusts aus dem FMS sei dagegen für bereits erhaltene Mittel nicht möglich, teilte die Interessenvertretung der Banken weiter mit.

Klare Erwartungen an den FDP-Finanzminister

Anzeige

Anzeige

Entschieden werden muss über die weitere Verwendung der Altschulden in den kommenden Monaten. In der Bundestagsfraktion der Grünen hat man eine klare Erwartung an den FDP-Finanzminister, wie die Entscheidung auszufallen hat.

„Die Steuerzahler haben die Banken in der Finanzkrise mit Milliarden gerettet. Die Altmittel aus dem Restrukturierungsfonds zu nutzen, um nun wenigstens einen kleinen Teil der Kosten abzudecken, halte ich vor diesem Hintergrund für schlüssig und richtig“, sagte Grünen-Finanzpolitiker Sascha Müller. Eine Auszahlung der Altmittel an die Banken wäre aus seiner Sicht weder rechtlich sauber noch gegenüber dem Steuerzahler vertretbar.

In den Reihen der CDU/CSU-Fraktion wird ein bankenfreundlicher Ansatz vertreten. „Wir schlagen vor, diese Mittel für denselben Zweck in den einheitlichen EU-Abwicklungsfonds SRF zu transferieren“, sagte Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Union.

Ihr Parteikollege Michael Meister ergänzte, dass der Transfer in den SRF im Gegenzug „auf die noch ausstehenden Beiträge der deutschen Institute an den SRF angerechnet werden“ solle. Dies kommt einer Rückgabe der Mittel zumindest nahe: Die Institute müssten 2023 einen geringeren Beitrag als in diesem Jahr in den europäischen Abwicklungsfonds einzahlen.

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Podcast freigeben

„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 7 Uhr mit den Finanzjournalisten von WELT. Für Börsen-Kenner und Einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.

Bankenrettung: Streit um Altmittel von 2,3 Milliarden Euro - WELT (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Rob Wisoky

Last Updated:

Views: 5692

Rating: 4.8 / 5 (48 voted)

Reviews: 95% of readers found this page helpful

Author information

Name: Rob Wisoky

Birthday: 1994-09-30

Address: 5789 Michel Vista, West Domenic, OR 80464-9452

Phone: +97313824072371

Job: Education Orchestrator

Hobby: Lockpicking, Crocheting, Baton twirling, Video gaming, Jogging, Whittling, Model building

Introduction: My name is Rob Wisoky, I am a smiling, helpful, encouraging, zealous, energetic, faithful, fantastic person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.